19 Juni, 2015

Nix für Sonntagsfahrer

Freitag, 19. Juni, Tag 15
Gefahrene Kilometer 99,6
Höhenmeter bergauf 143
Gesamtkilometer 1.551,3

Mann, war das ein Tag. Heute war es richtig abenteuerlich. Die Länge der Strecke war auf der Karte ein Klacks. Höhenmeter konnten vernachlässigt werden, die Temperaturen zum Radfahren genau richtig, kaum Wind, die dunklen Wolken ringsum waren nur zur Deko.
Und trotzdem war ich erst um 20 Uhr im Hotel.
Aus Jekabpils kam ich ganz gut und relativ schnell raus. Bis zur Brücke über die Daugava waren es etwa 15 km. An der Stelle musste ich mich entscheiden, ob ich bis Jekabpils weiter auf der Autobahn A6 fahre (dann wäre ich in max. 5 Stunden am Ziel)  oder ob ich den ruhigeren und schöneren Weg direkt an Flußufer fahre. Ich wählte die schönere Strecke und fuhr über die Brücke rüber. Die Daugava ist wirklich ein großer und breiter Fluß. Das sind hier wirklich immer ganz andere Maßstäbe.
Auf der Brücke habe ich dann noch ein paar Fotos gemacht. Am Brückengeländer hingen etliche Vorhängeschlösser mit den Namen der jungen Paare drauf, die Schlüssel befinden sich ja dann auf dem Grund des Flusses. Ach ist das romantisch.
Ca. 1 km nach der Brücke hörte die Romantik auf. Ich musste nach rechts abbiegen, auf eine Schotterpiste, der ich nun 40 km folgte.
Es war natürlich schön. Ich liebe Flußlandschaften sehr. Elbe, Oder, Neiße, Havel, Inn, Etsch, Mosel, Saar - das sind wunderbare Flußufer, an denen ich schon geradelt bin. Die Donau ist im nächsten Jahr dran.
Und hier hat die Landschaft am Fluß auch was Besonderes. Nie habe ich mehr Störche mit ihren Jungen gesehen als hier. Und dann oft verlassene Bauernhöfe,  restaurierte Holzhäuser, bestellte Felder oder naturbelassene Wiesen. Das ist wirklich was für´s Auge.
In einem kleinen Ort mit einem Dorfladen machte ich Pause und kaufte mir Brot, etwas Jagdwurst und eine schöne große Tomate. Die Verkäuferin war wirklich nett. Sie honorierte offensichtlich mein Bemühen, die Bestellung auf russisch aufzugeben und schnitt mir Brot, Wurst und Tomate in handliche Stücke.
Vor dem Laden war gleich eine kleine Bank, dahinter die lettische und eine Europa-Fahne. DER Platz für mich.
Ihr glaubt gar nicht, mit wie wenig und mit wie einfachen Dingen man satt und zufrieden sein kann. Das liebe ich auch.
Allerdings die Fahrt mit dem Rad, und ich muss das wieder sagen, mit 20 kg Gepäck,  war schon ein Härtetest für das Material und für mich. Die ganze Zeit volle Konzentration auf die Strecke. Immer nur in 5m-Abschnitten den Weg gescannt: Wo ist der beste Weg für mich, welchen größeren Steinen muss ich ausweichen, wo ist der Untergrund fest, wo ist der Schotter weich und die Räder  könnten wegrutschen, wo holpert es am wenigsten ?
Da kannst du nicht einen Augenblick die Aufmerksamkeit von der Straße lassen. Wenn du was sehen willst -  anhalten. Das habe ich auch getan.
Schneller als 12-13 kmh konnte ich gar nicht fahren. Mit Fotostops, Trinkpausen, und irgendwann muss die Flüssigkeit ja auch wieder raus, kommt man auf eine Reisegeschwindigkeit von kaum mehr als 10 kmh. Da können auch 100 km zu einem Tagwerk werden.
Und als Schikane dann noch obendrauf: Gegenverkehr oder von hinten kommende Fahrzeuge. Als Radfahrer stehst du hier in der Rangordung an letzter Stelle, also ganz unten. Nicht dass da langsamer gefahren wird, weil sich Radler, PKW, Bus oder LKW den Weg teilen müssen, ganz zu schweigen davon, dass mal einer mehr rechts ran fährt,  nee, voll Straßenmitte und ich kann zusehen, wo ich bleibe. Ich bin nur mit nem Tuch vor Mund und Nase gefahren, und trotzdem hatte ich vom Staub  immer einen trockenen Hals. Nach einer Weile brannten mir auch die Augen vom Staub und die Handgelenke taten mir von den harten Schlägen auf der Schotterpiste weh.
Und trotzdem, ich möchte diese Erfahrung nicht missen. Ich war aber auch ganz froh, und das hatte ich während der Vorbereitung gelesen, dass ich die Stelle mit einer Personenfähre über die Daugava  gefunden hatte. Da ist natürlich nichts ausgeschildert, da war nur ein Verkehrsschild mit so einem abstürzenden Auto am Straßenrand.  Und genau das war de Weg zur Fähre. Der Fährmann stand mangels Kundschaft auf seiner Fähre und angelte. Ich fragte, ob er rüber fährt, auf russisch, was hier alle sprechen. Der sagte nur "2 Euro". Ich schob das Rad auf die Fähre und ersparte mir weitere unnötige 40 km Schotterpiste und fuhr die verbleibenden km  auf der "Autobahn" nach Jekabpils. Die letzten 10 km allerdings im Regen.
Irgendeine Schikane musste sich der Fahrrrad-Gott für mich dann doch wieder einfallen lassen.
Trotzdem Danke für diesen Tag.

6 Kommentare:

Anne hat gesagt…

Dann schlaf jetzt gut und morgen dann einen etwas weniger staubigen Weg! Ganz liebe Grüße

Manfred hat gesagt…

Hallo dietmar,
Jetzt weiß ich wieder was ich u.a. gedtern geschrieben habe und verschwunden ist:

Ich bin auf einen foto u. Infoabend gespannt. Bei den tollen infos die du gibst macht mich das ganz neugierig.

Mach weiter so, alle kraft dir für dein ziel.

Manfred von der leitplanke

lettyvanandel@gmail.com hat gesagt…

Liebe Dietmar,
alsob ich dabei bin. Jede Tag ein neues abenteuer.

Unknown hat gesagt…

Lieber Dietmar,

alles Gute auch von uns. Möge die Macht mit Dir sein :-)Viel Erfolg und weiterhin soll Dir der Fahrradgott gnädig gestimmt sein!

LG Silke und Bernd

Sybilla Kalweit hat gesagt…

Ja das kann ich mir lebhaft vorstellen, erst hab ich das Video auf dem Handy gesehen und jetzt auch noch deine Schilderungen... die Taucherbrille wäre wahrscheinlich nicht schlecht gewesen???
GLG und vor allem viel Kraft in den Beinen

Eric hat gesagt…

Muss sagen das die Donau - Route bis an Budapest ganz interessant aussieht! ;-)