15 Juni, 2015

Auf dem Weg nach Vilnius

Montag, 15. Juni, Tag 11
Gefahrene Kilometer 104,6
Höhenmeter bergauf 567
Gesamt-Kilometer 1. 171,46

Der heutige Tag sollte ein ganz besonders schöner Tag werden.
Aufstehen, Sachen einpacken, das Fahrrad vorbereiten - nach 10 Tagen Tour funktioniert das immer besser und wird zur Routine. Inzwischen haben auch alle Sachen den richtigen Platz in sämtlichen Taschen und Täschchen gefunden. Was liegt oben, was gehört unten verpackt, was brauche ich ganz schnell (bei Regen) was benötige ich immer erst am Abend, was muss in die rechte, was in die linke Tasche,  was an die Lenkertasche und was in die Oberrohrtasche, mein Problemkind.
Zuerst habe ich mir in Alytus ein kleines Café gesucht, damit ich frühstücken kann. Ein riesiges Omelett, einen knackigen Salat und einen großen Pott Kaffee für 6 EUR, das ist nicht zuviel für einen gute Start in den Tag. Am Nachbartisch sass eine Gruppe junger Leute. Ich bereitete mich auf die Konversatin mit ihnen auf litauisch vor, falls es mit der englischen Sprache nicht funktionieren sollte. Mit englisch kommt man hier selten weiter, das hätte ich nicht gedacht. Also bei Herrn Gockel und seiner Übersetzer-Epp nachgesehen ", was heisst Luftpumpe kaufen auf litauisch: siurblys pirkti.
Mit diesem Wissen machte ich mich an den Nachbartisch. Ihr kennt das alle, 4 Leute 5 Antworten. Jedenfalls kriegte ich ne Serviette mit nem Straßennahmen und die junge Frau zeichnete mir mit beiden Armen den Stadtplan von Alytus in den Himmel. Ich also rauf aufs Rad und los. Noch einmal zwischendurch einen älteren Herren gefragt, wo denn die Straße ist, die auf der Serviette steht, und auf einmal stand ich vor DEM Fahrradladen der Stadt. Pumpe ausgesucht, aus einer Pressluftflasche gleich Luft in meine Reifen nachgedrückt und los - wollte ich. Da fiel mir noch rechtzeitig mein Ärgernis -die Oberrohrtasche- ein. Im gut sortierten Angebot wurde ich schnell fündig. Die alte Tasche runter, die hatte ich mal als Dank für meine tonnenweise gekauften Kaffeebohnen bei einem großen Hamburger Kaffeeimporteur als Treueprämie erhalten, die neue Tasche rauf und nun ist auch dieser Schwachpunkt der Ausrüstung ausgemerzt.
Mit der Luftpumpe wird es nun sein wie mit dem Regenschirm. Vergißt man ihn, regnets. Schleppt man ihn den ganzen Tag mit, regnets nicht. Ich werd wohl nun keine Panne mehr haben. Auch gut.
Es war inzwischen 11 Uhr nach meiner Uhr und damit schon ziemlich spät.
In Wirklichkeit war es schon 12 Uhr osteuropäischer Zeit. Zwischen Ferch und mir liegen nicht nur knapp 1.200 km sondern inzwischen auch eine Zeitzone.
Vor mir lagen noch 100 km aus denen diesmal nur 104,6 km wurden. Was nun folgte, war wie im Rausch. Von Alytus bis Trakai, das sind etwa 70 km auf der Straße 220, hatte ich fast nur ordentlichen Rückenwind und Straßenverhältnisse, wie ich sie bisher auf der Tour kaum erlebt hatte. Nördlich von mir die A1 und südlich von mir die A4 bedeuteten fast keine Verkehr auf meiner Strecke. Das war pures Genußradeln. Wenn ich sofort sagen müßte, was mir einfällt, wenn ich an Litauen denke, so sind das der klare blaue Himmel, die schneeweißen Wolken und die bunten Holzhäuser.
Kilometerlang säumte ein etwa 5m breiter Streifen aus blühenden Lupinen die Fahrbahn auf beiden Seiten. Immer wieder kleine Seen, schöne Wälder, herrliche Aussichten wegen des hügeligen Geländes machten diesen Abschnitt der Tour zu einem echten Erlebnis.
Die letzten km bis Vilnius waren dann nicht mehr so spannend und von der Stadtgrenze bis ins Zentrum sind Radfahrer einfach nicht vorgesehen. Es gibt zwar etwa 5 km einen Weg, den sich Radfahrer und Fußgänger teilen sollen, aber an jeder Straßeneinmündung oder Grundstückszufahrt 20 cm nicht abgesenkte Bordsteinkante, Ampelanlagen und Masten von Straßenlaternen mitten auf dem ohnehin nur 1,50 m breiten Fußgänger- und Radweg, ließen da keine Freude am Fahren aufkommen. Ich hatte immer Angst, rechts oder links mit meinen Packtaschen anzustoßen.
Ich bin aber gut in meiner Unterkunft angekommen, einem Studentenwohnheim der Universität Vilnius.
Mein Zimmer ist in der 8. Etage für 13 EUR die Nacht und einem Blick auf die Wohnstadt von Vilnius.
Studenten müssen doch auch ihre Wäsche waschen, dachte ich mir. Ich fragte mal in der Reception und siehe da, in der 3. Etage stehen Waschmaschinen. Wäsche dreckig rein, Münze dazu, Wäsche sauber und trocken wieder raus. Das erleichtert mir den für morgen geplanten Waschtag. Nach 10 Tagen Straßenstaub werden einige Stücke mit Rei aus der Tube auch nicht mehr richtig sauber.
Am Abend bin ich noch bis in Stadtzentrum gelaufen, das sind genau 2,2 km.
Ganz ehrlich, ich war überwältigt und hatte das so nicht erwartet. Vilnius ist so schön. Aber zu Vilnius morgen mehr.

3 Kommentare:

Antje hat gesagt…

Guten Morgen,
Ich freu mich, dass alles so rundrum toll war!
Einen wunderschönen Tag in Vilnius!

Sybilla Kalweit hat gesagt…

Vielen Dank für Deine tollen Schilderungen, da kriegt man richtig Lust dorthin zu reisen. Ich kann mit gut vorstellen, das die Natur nach Deinem Geschmack ist.
Aber jetzt muss ich Dich doch nach 10 Tagen mal fragen:"Antwortet Dein Fahrrad schon....?"
GLG

DocDidi hat gesagt…

Naja, mal klappert oder quietscht was, aber 'ne richtige Unterhaltung wird das nicht.
Und körperrlich hat es sich an mir auch nicht verrgriffen.
Heute mit Frau und Herrn Götze waren das die ersten zusammenhängen Sätze von mir nach 12! Tagen.
Aber ich hatte noch keine Wortfindungsprobleme.